Reisebericht von Jens Stöckel

Jamaika... Das war ein Wort, daß sich irgendwann in meinem Kopf festgesetzt hatte und das ich auch nicht mehr aus meinem Kopf rausbekommen habe. Also fängst du an stundenlang im Netz zu surfen und tonnenweise Literatur zu verschlingen. Dann kommst du an und must feststellen: forget everything! Du fängst bei null an. Egal, wie alt du bei deinem ersten Mal bist, du must genau diese Anzahl von Jahren zurückdrehen. Du fängst bei null an mit deinem Lernen. Nichts, was du bisher geglaubt hast zu wissen, your whole knowledge, deinen ganzen Lebenserfahrungen sind dort nichts wert, weil du deine bisherigen Lebenserfahrungen dort nicht im geringsten anwenden kannst. Du must mit der Tatsache klarkommen, daß du ein neugeborenes Kind bist, das beginnt, die Welt zu entdecken.

Es ist wirklich so, wie es auf deiner Homepage steht, Thomas. Diese grelle Sonne und die lieben Taxifahrer, die dich anspringen und ein jeder will dein Freund sein. Gott sei Dank konnte ich mir die vom Leib halten --> My friends expects me, all right! Dann wirst du von zwei megagroßen, megaschwarzen, ca 40-50 Jahre alten Jamaikanern abgeholt. Du fährst einmal quer durchs Land und bekommst zwei Stunden Impressionen an den Kopf geschleudert, die du nicht im geringsten interpretieren oder zuordnen kannst. Du siehst das pure Elend.

Jamaika ist eines der Länder mit der höchsten Autosterblichkeitsrate. Du weißt auch auf einmal, warum... Du sitzt im Auto mit zwei Typen und der Fahrer fährt wie eine besengte Sau. Dazu lustige Kommentare wie --> Go away... Fuck you... Shot them... Irgendwann kamen wir in Belmont an. Du siehst dein Zimmer und nimmst erst mal eine Dusche. Dann gehst du hoch zu deinem Gastgeber und findest deine beiden Fahrer (einer sogar Opa) "rauchenderweiser" Pornos gucken. --> Hi, white guy, there´s something, you know, a white p...! Du fragst dich, was geht hier eigentlich ab? (Ich habe es die ganzen drei Wochen nicht herausgefunden)

Du findest dort Menschen, die KOMPLETT anders sind. Es sind Menschen, die jahrhundertelang Sklaven waren und erst einen vergleichbar kurzen Zeitraum frei und unabhängig sind. Und dieser Fakt ist ihnen voll anzumerken. Diese Menschen HABEN NICHTS, um mal unsere westliche Sprache zu benutzen. Sie haben nichts, das ist richtig, aber nach unseren Maßstäben. Materiell sind sie nichts, weil es gibt dort nichts. Der wichtige Unterschied ist jedoch, daß diese Menschen etwas HABEN, was unsere Gesellschaftsform leider verloren hat: nämlich Nächstenliebe. Diese Liebe wird dort täglich gelebt und praktiziert und nicht von irgendeinem Kirchenhonk sonntags so blabla von einer Kanzel heruntergepredigt, wo im Endeffekt eh keiner der Anwesenden zuhört. Und wenn, hat er es nicht wirklich verinnerlicht. Die Menschen dort sind bettelarm und das wissen sie auch. Sie sind ja nicht irgendwie blöd oder von hinterm Mond. Sie wissen nur zu genau, das es ihnen materiell gesehen einfach nur scheiße geht. Aber sie heulen und beschweren sich nicht den lieben langen Tag lang. Sie genießen einfach ihr Leben, ihr pures DA-Sein.

Du mußt, wenn du nach Jamaika gehst, die Komponente Zeit völlig aus deinem Leben streichen. (Das ist mir zu Anfang auch sehr schwer gefallen) Aber nach einigen Gesprächen mit Vertretern der Rasta-garde irgendwo 30 km tief im Busch auf irgendeinem Berg, wo du denkst, wenn es einen Arsch der Welt gibt, muß es hier sein, beginnst du in Ansätzen zu begreifen. Es gibt keine Zeit, so wie wir es uns vorstellen oder gelernt haben. Es gibt "hell" und es gibt "dunkel" und dies in einem kontinuierlichen Wechsel. Was ist morgen? Der fiktive Zeitpunkt, wenn die Uhr 0.00 anzeigt...Wenn es das nächste Mal hell wird...??? Die Rastas sind ein eigen Völkchen. Natur pur, nur halt in menschlicher Gestalt. Und die Jungs können kochen, jamjam!!! Wenn du irgendwie die Chance hast, bei einem Rasta zu speisen: NUTZE SIE!!! Du siehst, was du ißt. Es ist der Fisch, den die Fischer vor ein paar Stunden aus dem Ozean gefischt haben. Es sind die Früchte, die du grad frisch vom Baum geplückt hast. (Als ich wieder meinen ersten Burger am Flughafen F/Main gegessen habe, war ich echt am Überlegen, ob ich jetzt aufs Klo gehe und mir den Finger in den Hals stecke, ekel kotz)

Der Alltag auf Jamaika beginnt recht früh, ca 5-6 Uhr. Du solltest nämlich spätestens 8 Uhr im Busch sein, weil dich die Hitze sonst umbringt. Aber die kühlende Decke des Dschungels schützt dich. Dann machst du erst mal ein bißchen Feuer, um die Moskitos zu vertreiben, damit du dich in Ruhe um das Feld kümmern kannst. Die Ernte wird dann auch gleich an Ort und Stelle getestet, is ja klar... Es ist eine schwer einzuordnende Erfahrung, wenn du mit einem ca 60 Jahre alten Rasta namens Rootsman in der glühenden Mittagshitze unterm Baum sitzt, die Ernte genießt und seinen Ausführungen über Rastafarie lauschst.

Es ist körperlich sehr anstrengend, einem Rasta durch den Busch zu folgen, selbst wenn er 60 Jahre alt ist. Du siehst nur seine Machete blitzen und Äste fallen. Du bemerkst wieder diese enge Symbiose dieser Menschen mit der Natur. Du als dummer Weißer irrst nur umher und stolperst. Aber du darfst auch nicht nach unten gucken, weil du sonst den vor dir flitzenden Waldgeist aus den Augen verlierst. Und das sollte dir nicht passieren.

Die Jamaikaner sind ein sehr emotionales und redefreudiges Volk. Es ist z.B. einfach nur herzerfrischend, vier Männern beim Dominospielen zuzugucken, wie sie sich gegenseitig hochschaukeln, provozieren, anbrüllen, bescheißen......und dann ganz schnell wieder runterkommen, um freundlich lächelnd die nächste Runde zu bestellen. Und bei den 10-14 jährigen Kiddy´s in der nächsten Kneipe ging es nicht minder feurig her.

Das war jetzt ein kurzer, spontaner Gedankenabriß...
Finally I just can tell you:

GO TO JAMAICA AND CHECK IT OUT YOERSELF!!!!!

respect
Jens Stöckel

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